Minimalismus ist etwas mit dem jeder Mensch irgend etwas verbindet. Die meisten Menschen haben sofort ein inneres Bild vor ihren Augen. Sie sehen dabei zumeist karge und kalte Wohnräume, die den Charme einer Gefängniszelle haben. Nicht selten wird Minimalismus mit Askese gleichgesetzt. Damit werden den des Minimalismus und der Askese zugrunde liegenden Annahmen jedoch Unrecht getan.
Minimalismus ist die freiwillige Reduktion der materiellen Dinge auf das Notwendigste. Auch wenn der Minimalismus als Gegentrend zur Konsumgesellschaft immer mehr an Beliebtheit gewinnt, liegen die Ursprünge des heute existierenden Minimalismus bereits in den 1960er Jahren. Er war damals die Gegenbewegung zum abstrakten Expressionismus.
Wenn Du die Bilder des abstrakten Expressionismus nicht kennst, schau Dir gerne ein paar Bilder im Internet an. Allerdings wirken die überladenen, farben- und formenfrohen Bilder auf den Betrachter teilweise etwas verstörend oder zumindest irritierend. Im Gegensatz dazu setzte der Minimalismus in der Kunst auf klare, geometrische Formen, Einfachheit und Reduktion.
Der erste überlieferte Minimalist scheint Diogenes zu sein. Dieser stammte zwar aus reichem Hause, war jedoch überzeugt davon, dass Besitz und Reichtum nicht zu mehr Glück führen würden. Unabhängig davon, ob Diogenes tatsächlich existierte oder nicht, folgten in den kommenden Jahrhunderten einige bekannte Menschen seinem Vorbild, wenngleich auch nicht in den extremsten Ausprägungen.
Bei einigen Vertreten, wie bei Franziskus von Assisi, liegt der Verdacht nahe, dass andere Gründe als Askese oder Minimalismus zu dem Lebenswandel der Betroffenen geführt haben könnte. Wenn heutzutage sich jemand in Lumpen kleidet, barfuß läuft und von Gotteserscheinungen berichtet, dann wird diese Person früher oder später Bekanntschaft mit einem Facharzt für Psychiatrie machen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass es sich entweder um eine Überlieferung (die verfälscht wurde) handelt oder um ein Gleichnis. Franziskus ist nicht nur ein minimalistischer Vorreiter, sondern auch Schutzpatron der Armen, der Blinden und der Tiere.
Weitere bekannte Persönlichkeiten wie Leo Tolstoi oder Henry David Thoreau lebten ebenfalls in einer selbst gewählten Einfachheit, die bei ihren Mitmenschen nicht immer auf Verständnis stieß.
Im 21. Jahrhundert wurde die Minimalismus-Bewegung unter anderem durch Joshua Becker ins Leben gerufen. Der „Simplify“-Trend aus den USA kam Anfang der 2000er Jahre nach Deutschland. Bekannt gemacht hat ihn Werner Tiki Küstenmacher mit seinem Bestseller „Simplify your Life“.
Prinzipiell geht es bei der Askese wie beim Minimalismus ebenfalls um Verzicht. Bei der Askese ist der Verzicht allerdings religiös oder philosophisch orientiert. Es wird nicht nur auf der Teilnahme am Kapitalismus verzichtet, sondern es wird ebenfalls auf Dinge oder Tätigkeiten verzichtet, die dem reinen Vergnügen dienen. Dieser Verzicht soll dazu dienen, höhere Ziele zu erreichen oder um den Charakter zu formen. Zugleich geht mit dem Verzicht auf Vergnügen das Erreichen gewisser Tugenden einher. Es wird davon ausgegangen, dass der Verzicht auf irdische Güter zu einem besseren Dasein im Jenseits führen wird.
Ich persönlich bin nicht sicher, ob es ein Jenseits überhaupt gibt und ich habe natürlich überhaupt keine Vorstellung davon, wie es dort aussehen könnte. Aber falls es ein Leben nach dem Tod gibt, dann wird dieses Leben nicht mit diesem stofflichen Leben auf der Erde gemein haben. Wir werden so oder so ohne unsere Besitztümer von der Erde gehen.
Beim Minimalismus und der Askese wird auf den Besitz irdischer Güter und auf menschliche Genüsse verzichtet. Nicht gänzlich aber in weiten Teilen. Beim Minimalismus wird der Fokus auf materielle Güter gelegt. Bei der Askese wird auch auf Wollust oder üppige Nahrungsaufnahme verzichtet.
In manchen Fällen wird zeitweise sogar gefastet, um eine höhere Bewusstseinsstufe zu erreichen. Die Askese ist häufig als religiöse Ausprägung vorzufinden. Der Minimalismus hingegen ist zunächst frei von religiöser, politischer oder philosophischer Weltanschauung. Allerdings verzichten die meisten Minimalisten dennoch nicht auf eine politische Haltung oder eine Ansicht zum Umweltschutz. Allerdings besteht diese Haltung trotz des Minimalismus und nicht aus diesem heraus, wie es bei der Askese der Fall ist.
Da es keine staatlich anerkannten Minimalisten gibt, gibt es auch keine Voraussetzungen, ab wann ein Mensch sich selbst oder andere Menschen ihn Minimalist nennen dürfen wird der Begriff nicht selten inflationär eingesetzt. Es gibt durchaus Minimalisten, die auch weniger als 100 Dinge besitzen, die meisten dürften jedoch weit mehr als 100 Gegenstände besitzen.
In Deutschland besitzen die Menschen derzeit rund 10.000 Dinge. Vor etwa 100 Jahren waren es lediglich 180 Gegenstände. Das ist das 55,55-fache an Gegenständen, die wir jetzt 100 Jahre später durchschnittlich besitzen. Durchschnittlich bedeutet, dass hierbei auch Menschen berücksichtigt wurden, die lediglich 100 Gegenstände besitzen ebenso wie die, die 50.000 Dinge in ihrem Haushalt aufbewahren.
Du kannst gerne Deinen Besitz zählen und inventarisieren. Aber würde es Dich wirklich weiter bringen, wenn Du eine Zahl auf einem Stück Papier hast? Würdest Du dich je nach Ergebnis besser oder schlechter fühlen? Mal angenommen Du würdest Deine Wohnung komplett auf den Kopf stellen und alles zählen, was sich darin befindet und die kämst auf 7000 Dinge. Das ist nur knapp unter dem Durchschnitt und Du wirst Dich dabei nicht sonderlich gut fühlen.
Wenn Du aber all diese Dinge beruflich oder für ein Hobby benötigst und nutzt, sind sie dann wirklich überflüssig? Stell Dir vor Du zählst Deine Dinge durch und kommst auf lediglich 300 Gegenstände. Darunter aber beispielsweise drei Pfannen in der gleichen Größe. Du fühlst dich kurz gut, weil Du nur wenig besitzt, musst aber früher oder später feststellen, dass es die falschen Dinge sind.
Du merkst schon, worauf ich hinaus möchte: es muss stimmig sein. Dein Lebensstil muss zu Deinen Bedürfnissen passen. Da kann Dir niemand von außen vorschreiben, wie Minimalismus auszusehen hat.
Die Dinge, die Du brauchst sind sicher ganz andere Dinge als die, die ich benötige, um meinen Alltag zu bewältigen. Du wirst vermutlich schneller herausfinden, welche Dinge Du nicht benötigst. Das sind die Dinge, die Du immer wieder hin und her räumst, die keinen richtigen Platz haben und die, auf denen sich eine Staubschicht befindet.
Dinge, die Du beim Aufräumen findest, und von denen Du nicht einmal wusstest, dass du sie besitzt, gehören ebenfalls dazu. Dinge, die Du nicht benötigst, behindern Dich eher in Deinem Leben, als dass sie dir nutzen.
Wenn Du einen Gegenstand in mehreren Ausführungen besitzt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Du nicht alle benötigst. In welchem Haushalt werden zeitgleich mehrere Dosenöffner gleichzeitig benutzt? Wie viele Servierkellen und Pfannenwender besitzt Du?
Wenn Du unsicher bist, was Du in Deinem Haushalt benötigst, dann schnapp Dir einen Karton oder eine Box. Packe die Sachen, von denen Du denkst, dass sie überflüssig sein könnten, ein. Pack die Kiste auf Seite und versuche mit den verbleibenden Sachen klarzukommen. Wenn Du zum Beispiel fünf Pfannenwender hast, pack vier weg. Deinen Liebligspfannenwender behältst Du natürlich. Jeder hat einen Lieblingspfannenwender. Wenn er mehrere hat. Ich hatte tatsächlich immer nur zeitgleich einen. Den ersten habe ich von meinen Eltern mitgenommen beim Auszug. Er war aus Plastik und hat irgendwann angefangen zu bröseln.
Wenn Du die Kisten eine Zeit lang ungenutzt zur Seite gestellt hast, kannst Du den Inhalt verkaufen oder verschenken. Brauchbare Dinge solltest Du der Umwelt zuliebe niemals weg werfen. Es gibt immer jemanden, der sich über das, was Du nicht benötigst, freut. Hier erfährst Du, wie man nachhaltig entrümpelt.
So kannst Du nach und nach Deine Wohnung ausdünnen. Wenn sich viele Dinge in Deiner Wohnung befinden, bedeutet das auch, dass Du sich um diese Dinge kümmern musst. Du musst sie wegräumen, säubern und sie reparieren.
Für die meisten Menschen beginnt der Einstieg in den Minimalismus mit viel Arbeit. Häufig wird davon ausgegangen, dass zuerst ausgemistet werden muss. Das ist allerdings so nicht haltbar. Natürlich besitzen Minimalisten nur das für sie notwendigste. Allerdings bezieht sich die Philosophie hinter dem Minimalismus auch auf das Konsumverhalten. Aus diesem Grund ist es vollkommen legitim, wenn Du Dinge, für die Du Geld ausgegeben hast, behältst. Manche Dinge gehen nach einer gewissen Nutzungsdauer sowieso kaputt.
Das beste Beispiel bietet der Pfannenwender, den ich von meinen Eltern mitgenommen habe. Ich habe noch Kinderfotos, auf denen ich mit diesem Pfannenwender zu sehen war, weil ich damit gespielt habe. Dieser Pfannenwender wurde folglich mindestens 30 Jahre alt, bis das Plastik spröde und bröselig wurde.
Wenn Du bereits einige Dinge aussortiert hast, wirst Du merken, dass mehr Platz für weniger Dinge viele Vorteile bietet. Eine Küchenschublade, die nicht bis oben hin vollgestopft ist, ist wesentlich übersichtlicher.
Du sparst zudem Zeit, weil Du die Sachen nicht sortieren, suchen und putzen musst. Der Minimalismus kann zudem dafür sorgen, dass Du Geld sparst. Das muss jedoch nicht so sein. Wenn Du bislang viele günstige Dinge gekauft hast und jetzt stattdessen wenige aber hochwertige und hochpreisige Produkte kaufst, kann sich das preislich die Waage halten. Minimalismus kann je nachdem, wie Du ihn leben möchtest, zu Beginn sogar teurer sein, bis sich die Anschaffung teuer, langlebiger Produkte amortisiert.
Dein Leben wird durch den Minimalismus wesentlich unbeschwerter und unkomplizierter. Du brauchst nicht mehr allen Trends nachzujagen und kannst Dich auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren. Du kannst Dich auf die Menschen, die Dir wichtig sind konzentrieren und Deine Kraft für Deine Hobbys einsetzen.
Minimalismus bedeutet nur das Notwendigste zu besitzen. Der Fokus liegt auf den Dingen, die man wirklich benötigt. Überflüssiges hat kein Platz beim Minimalismus. Das bedeutet jedoch nicht, dass man allem entsagen muss oder sich opfert wie bei der Askese. Es handelt sich beim Minimalismus vielmehr um eine Besinnung auf die Dinge, die uns wirklich wichtig sind. Minimalisten entsagen dem Konsum meist nicht vollkommen. Ausgaben werden jedoch gezielt und überlegt getätigt. Unter Umständen werden weitere Aspekte wie der Umwelt- oder Tierschutz in die Kaufentscheidungen einbezogen. Aus diesem Grund greifen eine Minimalisten bei Neuanschaffungen für ihren Haushalt auf gebrauchte oder nachhaltig produzierte Artikel zurück.
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