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Macht die Inflation Deutschland arm?

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In den letzten Monaten haben sich in Deutschland sowohl die Energiepreise als auch die Preise für Lebensmittel, Getränke oder Kleidung immens erhöht. Nicht alle Bereiche sind von der Inflation gleichermaßen betroffen. Die Lebensmittelpreise haben sich im Vergleich zum Vorjahr um etwa 20 Prozent erhöht.

Preisentwicklungen der letzten Monate

Seit Mai 2022 steigen die Preise kontinuierlich. Die durchschnittliche Inflationsrate beträgt derzeit etwa 10 Prozent. Die Inflationsrate beschreibt, um wie viel teurer bestimmte Produkte werden. Untersucht wird immer ein großer Warenkorb, in dem sich viele verschiedenartige Produkte befinden. Die Teuerungen betreffen nicht alle Produkte gleichermaßen. Bei Lebensmitteln lag die Inflationsrate bei etwa 20 Prozent, bei der Energie waren es 43 Prozent. Verglichen wird immer mit dem Vorjahresmonat. Derzeit liegen uns also Werte für den Monat Oktober vor, weil die Preise für Oktober 2022 mit den Preisen im Oktober 2021 verglichen werden können.

Macht die Inflation uns arm?

In Deutschland lag der durchschnittliche Verdienst bei 4100 Euro Brutto im Monat. Im Jahr 2022 dürfte dieser durchschnittliche Verdienst sogar leicht gestiegen sein. Grund dafür sind die tarifvertraglichen Erhöhungen, von denen viele Arbeitnehmer profitieren. In Deutschland waren im Jahr 2021 knapp 16 Prozent der Deutschen armutsgefährdet. Armutsgefährdet bedeutet, dass diese Menschen von relativer Armut bedroht sind.

Von relativer Armut sind die Menschen bedroht, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Bei einer alleinstehenden Person lag dieser Wert im Jahr 2021 bei 1251 pro Monat. Damit sind alle Menschen, die ALG II oder Mindestlohn erhalten von relativer Armut nicht nur bedroht, sondern betroffen.

Welche Auswirkungen hat relative Armut?

Menschen die von relativer Armut betroffen sind können existenzielle Bedürfnisse abdecken, sind jedoch häufig von der sozialen oder kulturellen Teilhabe ausgeschlossen. Zu den existenziellen Bedürfnissen zählen Wohnung, Strom, Wasser, Getränke und Nahrungsmittel. Auch Hygieneartikel und Kleidung können in den meisten Fällen erworben werden. Tickets für Konzerte, Bücher oder Mitgliedsgebühren für Fitnessstudios können von Menschen, die in relativer Armut leben, nicht beglichen werden.

Menschen, die in relativer Armut leben sind folglich in der Lage zu existieren. Sie können nicht am sozialen Leben teilhaben, weil Restaurantbesuche oder Kinotickets von den Einkünften nicht beglichen werden können.

Was ist absolute Armut?

Absolute Armut ist in Deutschland relativ selten. Wir leben in einem Sozialstaat, der durch verschiedenste existenzsichernde Transferleistungen Sorge trägt, dass wir nur einen relativen Mangel erleben müssen. In Deutschland sind in der Regel lediglich EU-Bürger betroffen, die im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Deutschland kommen, keine Arbeitsstelle (mehr) haben und hier verbleiben. Wenn die EU-Bürger eine Arbeitsstelle hatten, steht ihnen ALG II zu. Wenn sie in Deutschland nie gearbeitet haben, stehen ihnen keine Sozialleistungen zu.

Aufgrund der staatlichen Transferleistungen sind arme Menschen in Deutschland lediglich von relativer Armut betroffen, d.h. sie sind lediglich im Vergleich mit anderen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland arm. Sie können sich Essen kaufen und verfügen über fließendes, sauberes Wasser. Bei Menschen, die unter absoluter Armut leiden, ist die Versorgung mit Nahrung nicht oder nicht permanent gesichert.

Neben mangelnder Nahrung ist bei absoluter Armut in den meisten Fällen die medizinische Versorgung nicht gesichert. In Ländern, in denen ein Großteil der Bevölkerung von absoluter Armut betroffen ist, sinkt die Lebenserwartung um bis zu 20 Jahren im Vergleich zu Deutschland. Die Kindersterblichkeit ist wie die Geburtenrate extrem hoch. Infektionskrankheiten wie HIV sind weiter verbreitet als in Ländern mit guter oder ausreichender medizinischer Versorgung. Die Inflation ist permanent auf einem hohen Niveau.

Deutschland im Länderranking

Die derzeitige Inflation sorgt dafür, dass unsere Kaufkraft sinkt. Dennoch befinden wir uns auf Platz 20 der reichsten Länder der Welt. Es gibt 195 unabhängige Länder auf der Welt. Bei Wikipedia sind es nur 193 Länder, andere Quellen gehen von 194 Ländern aus. Ich will jetzt nicht um zwei Länder streiten, es geht hierbei vermutlich um Palästina und den Vatikanstaat, die in einigen Fällen hinzugezählt wurden und in anderen nicht.

Wir sind was Reichtum anbelangt zwar nicht an der Spitze, dennoch gehören wir wirtschaftlich betrachtet zu den Gewinnern auf dieser Erde. Burundi ist das derzeit ärmste Land. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 203 Euro. In Deutschland liegt es bei etwa 43.000 Euro. Im Vergleich zu Deutschland liegen in Burundi die Lebenshaltungskosten bei 36,5 Prozent.

Übertragen auf Deutschland würde das bedeuten, dass das Durchschnittseinkommen etwa bei 600 Euro liegen würde. Allerdings kann man die Lebenshaltungskosten nicht 1:1 miteinander vergleichen. In Burundi sind Energie, Mieten und Kosten für Verkehr sehr günstig, allerdings kosten zwölf Eier auch rund zwei Euro, 500 Gramm Weißbrot kosten 0,87 Euro und eine 1,5 Liter Flasche Wasser kostet 0,48 Euro. Damit ist die 1,5 Liter Wasserflasche teurer als bei uns. Bei unseren Discountern kosten 1,5 Liter nur 0,25 Euro.

Bananen sind mit 0,35 Euro im Vergleich zu Deutschland (etwa 1 Euro) vergleichsweise günstig. Reis ist mit 0,78 Euro pro Kilo ebenfalls günstiger als in Deutschland (etwa 2 Euro pro Kilo). Das liegt aber vermutlich daran, dass bei uns sowohl Reis als auch Bananen nicht lokal angebaut werden und importiert werden müssen.

Für die Einwohner in Burundi bedeutet das, dass sie von ihren Einkünften 700 Gramm Reis pro Tag essen könnten. Wenn sie sonst nichts kaufen müssten. Prinzipiell verfügt Burundi über 30.000 Wasserquellen, die jedoch nicht von allen Menschen genutzt werden können. Burundi ist ein sehr Bevölkerungsreiches Land. Dadurch sind öffentliche Wasserquellen häufig verunreinigt. Die Lagerung bei 18 bis 28 Grad Celsius sorgt für eine Vermehrung von Bakterien.

Sorgt die Inflation für mehr Armut in Deutschland?

Deutschland ist weit davon entfernt ein armes Land zu sein. Dennoch werden durch die Inflation Menschen ärmer, weil ihre Kaufkraft sinkt. Menschen, die bislang von relativer Armut betroffen waren, befinden sich an der Grenze zur absoluten Armut.

Deutschland ist nicht nur eines der wohlhabendsten Länder, sondern auch eines mit einem immensen bürokratischen Apparat. Aus diesem Grund dauert es, bis Hilfen beschlossen und umgesetzt werden können. Die Einzelfallbearbeitung nimmt ebenfalls einige Zeit in Anspruch.

Verschwindet durch die Inflation die Mittelschicht?

Ist die derzeitige Mittelschicht das neue Prekariat? Wenn es tatsächlich zur Hyperinflation käme dann wäre die alte Mittelschicht auch die neue Mittelschicht, weil alle anderen auch ärmer wären. Nicht nur das Verhältnis zwischen Einkommen und Kaufkraft wird sich verändern. Vielmehr hat unsere Kaufkraft auch Auswirkungen auf unsere Einstellung zu den Dingen.

Was passiert, wenn durch die Inflation unsere Kaufkraft sinkt?

Wenn wir nicht mehr alles, was kaputt geht, sofort ersetzen können, dann reparieren wir es oder wir verzichten darauf. Das hätte nach einiger Zeit globale Auswirkungen. Wenn wir beispielsweise defekte Elektrogeräte oder Kleidung reparieren statt zu ersetzen, dann muss weniger produziert werden. Gleichzeitig werden mehr Menschen benötigt, die diese Geräte reparieren oder flicken können.

Während auf der Produzenten- und Vertriebsseite weniger Menschen benötigt werden, müssen im Servicebereich mehr Menschen eingesetzt werden. Jetzt kommen wir zu einem grundlegenden Problem: in Deutschland sind die Gehälter so hoch, dass wir für eine Reparatur teilweise mehr zahlen müssen als für eine Neuanschaffung.

Diese Tatsache steht dem Reparieren von Dingen eindeutig im Weg. Es ist günstiger in einem Billiglohnland Rohstoffe zusammenschrauben zu lassen als in Deutschland ein Teil austauschen zu lassen. Unsere Firmen werden sich hier sicherlich etwas einfallen lassen. Ein Beispiel hierfür wäre eine Reparaturversicherung. Bei dieser würden wir eine bestimmte Summe einzahlen und könnten im Bedarfsfall Elektrogeräte reparieren lassen.

Müssen wir uns durch die Inflation umstellen?

Die derzeit anhaltend hohe Inflation leitet meiner Meinung nach einen Wandel ein. Wir werden den bisherigen Hyperkonsum nicht mehr länger praktizieren können. Noch ist es nicht so weit. Ich war heute Mittag in der Stadt, weil ich eine Handtasche gebraucht habe. Ich war zuerst bei zwei bekannten Warenhäusern und bei einem bekannten Marken-Diskounter. An den Kassen konnte man keineswegs einen Wandel erkennen.

Beim örtlichen Lederwarenhändler war es auch nicht leer aber die Anzahl der Kunden war überschaubarer. Die meisten Kunden kauften 1-2 Teile, nicht wie in den anderen Geschäften 5-10 Teile. Die Preise beim Lederwarenhändler sind im Vergleich auch 5-10 mal so hoch.

Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die Produkte, die vom Lederwarenhändler kommen wirklich hochwertiger oder lediglich teurer sind. Ich kann auch die Haltbarkeit nicht vergleichen, weil ich die Produkte nicht parallel teste. Aber beim Lederwarenhändler können mich die Verkäufer beraten und sie wissen wer die Produkte hergestellt hat.

Diese Transparenz haben wir in vielen Geschäften einfach nicht. Wir wissen nicht wo die Materialien herkommen und wer die Produkte wo hergestellt hat. Ein Produkt aus Deutschland, das aus recycelten Materialien hergestellt wurde, gibt es beim Marken-Discount nicht. Falls doch, werden wir es nicht finden. Die Verkäufer können keine Auskunft geben, weil sie schlicht und ergreifend ein viel zu großes Sortiment haben.

Die Kaufkraft ist derzeit also noch vorhanden. Die Tendenz, billig und viel zu kaufen, auch. Für einen Wandel infolge der Inflation kann das auch bedeuten, dass die Produzenten weiterhin billig produzieren und (noch mehr) Abstriche bei der Qualität machen.

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