Klimawandel

Kipppunkte im Klimawandel

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Ein Kipppunkt ist ein ursprünglich aus der Physik stammender Begriff, der in der Klimaforschung genutzt wird, um Risikoszenarien und deren Folgen zu beschreiben. Die Kipppunkte sind in der Klimaforschung stark umstritten. Die Problematik liegt darin, dass diese Kipppunkte berechnet werden. Zur Berechnung werden mehrere Faktoren herangezogen, die sich wechselseitig beeinflussen können und es gibt unkalkulierbare Variablen. Während einige Forschende davon überzeugt sind, dass wir uns bereits nah an diesen Kipppunkten befinden oder diese bereits überschritten haben, gibt es Forschende, die ihre Zweifel daran haben. Tomas Stocker setzt sich für einen IPPC-Sonderbericht zu den Klimakipppunkten ein. Dabei negiert er nicht die bereits gewonnenen Erkenntnisse, möchte jedoch eine Verifizierung der vorliegenden Forschungsergebnisse.

Was ist der IPPC?

Beim IPPC (Intergovernmental Panel on Climate Change) handelt es sich um eine Institution der United States. Er wird häufig als „Weltklimarat“ bezeichnet. In seinem Auftrag werden wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel zusammengetragen und ausgewertet. Damit bietet er die Grundlagen für politische Entscheidungsfindungen, weil er Implikationen und Handlungsoptionen aufzeigt, dabei jedoch keine konkreten Lösungswege oder Handlungsempfehlungen darlegt.

Bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts stellten Forscherinnen und Forscher fest, dass es Anzeichen gibt, die darauf hindeuten, dass die Erdatmosphäre sich erwärmt. Zudem wurde vermutet, dass menschliche Aktivitäten hierfür verantwortlich sind.

Der IPCC wurde 1988 durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environmental Programme) und die WMO (Weltorganisation für Meteorologie) ins Leben gerufen.

Der IPCC, dessen Hauptsitz sich in Genf befindet, soll ermitteln, welche Gefahren durch den Klimawandel verursacht werden und wie hierauf reagiert werden kann.

Dem IPCC, der zugleich zwischenstaatlicher Ausschuss und wissenschaftliches Gremium ist, gehören an:

  • Wissenschaftler und Forschende, die weltweit tätig sind. Sie leisten ihren Beitrag als Gutachterinnen und Gutachter sowie als Autorinnen und Autoren. Für die vom IPCC angeforderten Berichte werden entsprechende Teams zusammengestellt.
  • Die Regierungen der Mitgliedsstaaten der UN und der WMO. Aktuell sind 195 Länder Mitglied im IPCC (das entspricht der Anzahl der Mitglieder der UN).
  • Ungefähr 170 Institutionen der UN sowie zivilgesellschaftliche und internationale Organisationen (Akkreditierung als Beobachter)

Was sind Kippelemente und Kipppunkte?

Bei Kippelementen handelt es sich um kritische Klimasysteme, die für unser Erdklima relevant sind. Wenn sich diese Kippelemente verändern, hat dies Auswirkungen auf das gesamte Erdklima.

Kipppunkte sind Punkte, die sich auf die Kippelemente im Klimasystem beziehen. Wenn ein Kippelement den Kipppunkt erreicht hat, dann führen weitere, teils sehr kleine Veränderungen zu Prozessen, die dafür sorgen, dass das System sich unumkehrbar verändern kann.

Kippen in Bezug auf den Klimawandel bedeutet (wie auch in der Physik), dass Veränderungen eintreten, die nicht mehr umkehrbar sind, wenn sie erst einmal eingetreten sind. In der Physik wird dieser Kipppunkt anhand eines Stifts verdeutlicht. Wird dieser an eine Tischkante gelegt, bleibt er zunächst auf dem Tisch legen. Wir der Stift immer weiter über die Kante hinausgeschoben, fällt dieser irgendwann herunter. Dieses Herunterfallen kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Handelt es sich bei dem Stift um einen Bleistift, ist die Mine im Inneren möglicherweise gebrochen. Dieser Schaden kann nicht mehr behoben werden, selbst wenn Du den Stift aufhebst und wieder auf den Tisch legt.

So wie bei Bleistift verhält es sich auch bei den Kippelementen im Klimawandel. Ein Beispiel hierfür ist das arktische Eis. Steigen die Temperaturen an, dann wird dieses Eis schmelzen. Das kann bereits dann eintreten, wenn sich nur um wenige Grad Erwärmung handelt. Sind die Polkappen abgeschmolzen, dann ist dies nicht umkehrbar.

Welche überregionalen Kipppunkte gibt es im Klimawandel?

1. Der Amazonas-Regenwald

Beim Amazonas-Regenwald handelt es sich um den größten Regenwald der Welt. Die derzeitige Nutzung sorgt dafür, dass dieser auf einen kritischen Kipppunkt zusteuert, der nach dem Erreichen das globale Klimasystem ins Wanken bringen könnte.

Nach Untersuchungen der TU München (Technische Universität), des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Universität Exter (Großbritannien) steht der Kipppunkt möglicherweise kurz bevor. Die Wissenschaftler werteten die Satellitenaufnahmen aus, die seit Beginn der Nullerjahre vorliegen. Hierbei zeigte sich, dass der Regenwald aufgrund der Rodungen seine Resilienz verliert. Etwa drei Viertel der Flächen sind nicht mehr in der Lage, sich von Bränden oder Dürre zu erholen. Der Regenwald im Amazonas spielt insbesondere aufgrund seiner unvergleichlichen Artenvielfalt und seiner Aufgabe als Kohlenstoffsenke eine wesentliche Rolle für das Klimasystem. Wenn im Amazonas der Kipppunkt erreicht ist, dann kann das zur Folge haben, dass ein Großteil des Regenwaldes zur Savanne wird (weiterlesen).

Die Satellitenaufnahmen zeigen insbesondere, dass in trockenen Gebieten die Gefahr besonders hoch ist, dass diese ihre Widerstandsfähigkeit verlieren. Insbesondere im Umkreis von Farmen oder Siedlungen sei der Resilienzverlust stark ausgeprägt. Diese wissenschaftlichen Auswertungen zeigen, dass die landwirtschaftliche Nutzung im Amazonasgebiet stark reduziert werden sollte.

Wenn der Regenwald am Amazonas untergeht, dann wird das nicht nur die unmittelbare Umgebung betreffen. Auch wenn sich zunächst nur das regionale Wetter ändert, so kommt es aufgrund der reduzierten CO2-Absorbtion zur globalen Erwärmung.

2. Grönlands Eisschild

Grönland ist von einer Eisschicht bedeckt, die teilweise bis zu 3 Kilometer dick ist. Die globale Erderwärmung sorgt dafür, dass das Eis schmilzt und das freigesetzte Wasser durch die Meere aufgenommen wird. Erreicht Grönland diesen Kipppunkt, wird der Meeresspiegel weltweit etwa 7 Meter ansteigen und Grönland wäre wahrscheinlich für die nächsten 10.000 Jahre frei von Eis. Dieser Kipppunnkt ist vermutlich bereits bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius erreicht. Aktuell haben wir bereits etwa 1,1 Grad Erderwärmung (Quelle).

3. Das arktische Eis

Am Nordpol ist das Meer ganzjährig von Eis bedeckt. Dies Ausdehnung des Eises schwankt jedoch. Kommt es zum vollkommenen Abschmelzen des Meereises, dann werden sich vermutlich die nördlichen Breiten doppelt so schnell erwärmen als alle anderen Gebiete. Dieser Kipppunkt es bei etwa 4,5-8,7 Grad Celsius erreicht (Quelle).

4. Boreale Permafrostböden

Bei den borealen Permafrostböden handelt es sich um dauerhaft gefrorene Böden auf der nördlichen Halbkugel. Immer dort, wo die Temperatur jahrelang unter 0 Grad Celsius liegt, entstehen Permafrostböden. Große Gebiete befinden sich in den Tundren und den nördlichen Waldgebieten in Nordamerika und Eurasien. Zudem gibt es Permafrostböden in der Antarktis und auf einigen der subantarktischen Inseln, sowie in den Hochgebirgen und den Schelfgebieten des arktischen Ozeans. Modellberechnungen zufolge umfasst das boreale Permafrostgebiet 13,8 Millionen km². Etwa 10,7 Millionen km² sind zusammenhängend. Insgesamt wird das Volumen des Permafrosta auf der Nordhalbkugel auf etwa 11000-35000 km² geschätzt. Das entspricht einem Meeresspiegelanstieg von 3-9 Zentimetern (Quelle).

Tauen diese Permafrostböden auf, werden riesige Mengen an Treibhausgaben und Methan freigesetzt. In den sog. Yedoma-Boden, deren Tiefe mehr als 3 Meter beträgt, sind vermutlich mehrere hundert Milliarden Tonnen CO2 gespeichert. Dieser Kipppunkt ist bei etwa 4 Grad Celsius erreicht.

5. Das westantarktische Eisschild

Das westantarktische Eisschild liegt etwa 2,5 Kilometer unterhalb des Meeresspiegels. Dieser Kipppunkt ist vermutlich bereits bei 1,5 Grad Celsius erreicht. Die Folge ist ein Anstieg des Meeresspiegels um bis zu drei Meter.

6. Der ostantarktische Eispanzer

Beim ostantarktischen Eispanzer handelt es sich um die weltweit größte Eismasse. In dieser Eismasse ist so viel Eis enthalten, dass der Meeresspiegel um bis zu 52 Meter steigen könnte. Dieser Kipppunkt ist bei etwa 7,5 Grad Celsius erreicht. Zwischen 1992 und 2017 kam es aufgrund von warmen Meeresströmungen in der Westarktis zum Verlust von 2000 Gigatonnen Eis, wodurch der Meeresspiegel bereits um 6 Meter anstieg (mehr lesen).

7. Subglaziale Einzugsgebiete

Die Subglazialen Einzugsgebiete liegen in der Ostantarktis und sind Einzugsgebiete der großen Gletscher. Durch diese fließt das Eis vom ostantarktischen Eispanzer in das Meer. Diese liegen unterhalb des Meeresspiegels auf dem Boden. Zu diesen subglazialen Einzugsgebieten gehören die Aurora-, Wilkes- und Recoverybasins. Bei einer Erderwärmung zwischen 2 und 6 Grad Celsius kann in der Ostantarktis der Kipppunkt erreicht werden (mehr erfahren).

8. Atlantische Umwälzzirkulation

Bei der atlantischen Umwälzzirkulation handelt es sich um ein komplexes Strömungssystem, bei welchem warmes und kaltes Wasser in den unterschiedlichen Tiefen umgewälzt werden. Bei der atlantischen Umwälzzirkulation wird warmes Wasser, welches aus den Tropen zuströmt, an die Oberfläche des Atlantiks nach Norden befördert. Im Norden kühlt das Wasser ab und sinkt nach unten. Das kalte Wasser wird in der Tiefe in den Süden verbracht.

Dieser Vorgang wird als thermohaline Zirkulation bezeichnet. Beim Golfstrom handelt es sich um einen Teil dieses Strömungssystems, dass das weltweite Klima beeinflusst. Damit die thermohaline Zirkulation funktioniert, wird kaltes Salzwasser benötigt. Kommt es zum Schmelzen der Gletscher, wird mehr Süßwasser in dieses System gebracht. Das könnte die Umwälzzirkulation lahmlegen. Zudem kann es zu Auswirkungen auf die Temperatur und die Niederschlagsverteilungen kommen. Dieses Kippelement hat seinen Kipppunkt bei etwa 4 Grad Celsius erreicht.

9. Umwälzung im Nordatlantik

Im Nordatlantik befinden sich das Irminger- und das Labrador-Meer. Hier gibt es eine Umwälzzirkulation, die Teil des sog. subpolaren Wirbels ist. Hier reicht bereits eine Erderwärmung von 1,8 Grad Celsius aus, um den Kipppunkt zu erreichen. Ist der Kipppunkt erreicht und kommt es zum Kollaps der Umwälzströmung. In Folge wird die regionale Umgebung um etwa 2-3 Grad Celsius abkühlen. Zudem kann es zu vermehrten Wetterextremen innerhalb Europas kommen.

Regionale Kipppunkte im Klimawandel

Neben den überregionalen Kippelementen existieren regionale Kipppunkte. Die regionalen Kippelemente beeinflussen in erster Linie das Klima vor Ort. Allerdings beeinflussen die regionalen Klimakipppunkte aufgrund ihrer Vernetzung untereinander das weltweite Klima.

Zu den regionalen Kippelementen gehören:

  1. Gebirgsgletscher
  2. Nordische Nadelwälder
  3. Boreale Permafrostböden
  4. Barents Meereis
  5. Korallenriffe
  6. Westafrikanischer Monsun (Quelle)

Auch wenn es bereits seit Jahrmillionen einen Klimawandel gibt, so sind wir heute in der Lage zu erkennen, welche Bestandteile dem „natürlichen“ Klimawandel entsprechen und welche Elemente durch das Verhalten der Menschen beeinflusst werden.

Insbesondere Methan und CO2 sorgen dafür, dass Wärme von der Erde nicht mehr abgeleitet werden kann, sondern in der Erdatmosphäre verbleibt. Diese Erhöhung der Temperatur sorgt dafür, dass einige Kipppunkte schneller erreicht werden. Da die Kipppunkte sich gegenseitig beeinflussen, kann das Erreichen eines einzelnen Kipppunktes dafür sorgen, dass ein Dominoeffekt eintritt und wir Menschen nicht mehr Herr der Lage sind, weil wir die Auswirkungen nicht beeinflussen können.

Das Erreichen einer oder mehrerer globaler Kipppunkte wird nicht nur globale Auswirkungen auf das Klima haben, sondern auch dafür sorgen, dass zahllose Menschen obdachlos werden und von Hunger bedroht oder betroffen sind. Während einige Länder schlichtweg aufgrund der Hitze nicht mehr bewohnbar sind, müssen andere Menschen aufgrund der steigenden Meeresspiegel fliehen.

Abgesehen von der Flucht von Millionen Menschen, die in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten Zuflucht suchen, sind diese Flächen landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar. Bislang gibt es noch keine schlüssigen Ernährungskonzepte, die dafür sorgen können, dass alle Menschen auch ohne Landwirtschaft versorgt werden können.

Zudem werden, da dürfen wir uns nichts vormachen, die nicht betroffen Länder irgendwann ihre Grenzen schließen, weil sie schlicht und ergreifend nicht in der Lage sein werden, die Flüchtenden aufzunehmen. Was in den bislang kleinen Lagern an Landesgrenzen passiert, kennen wir aus den Flüchtlingskrisen. Allerdings wird es bei einer weltweiten Klimakrise zu mehreren Millionen bis Milliarden Flüchtlingen kommen. Diese werden zeitgleich weg vom Äquator und den tiefer gelegenen Ländern hin in die Länder, die aktuell noch nicht betroffen sind, sein. Diese Länder verfügen weder über die Infrastruktur noch über den Wohnraum oder genügend Nahrungsmittel, um Millionen Flüchtlinge aufzunehmen.

Quellen:

https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-11/klimaforscher-thomas-stocker-kipppunkte-ipcc-sonderbericht?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.fortomorrow.eu%2F

https://www.de-ipcc.de/119.php

https://www.fortomorrow.eu/de/post/kippelement-klima?mtm_campaign=kippelement-klima&mtm_kwd=20230306&mtm_source=google-ads&mtm_medium=google-ads&gclid=CjwKCAjwue6hBhBVEiwA9YTx8H-UNxfp86zYLXXwjCrwRXrdTrLFqa6z3PSbJ9UQr6rj1vv8vVljbRoCRXsQAvD_BwE

https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimakrise-der-amazonas-regenwald-steuert-auf-einen-kipp-punkt-zu-a-3c73f287-82a8-49a9-9faa-32b47dc93e2b

https://www.fortomorrow.eu/de/post/1-5-grad-ziel

https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Permafros

https://www.geo.de/natur/wie-stabil-ist-der-ostantarktische-eisschild–32632728.html#:%5C~:text=Die%20Ostantarktis%20enthalte%20gen%C3%BCgend%20Eis,gut%205%20Meter%20steigen%20lassen

https://www.pik-potsdam.de/de/produkte/infothek/kippelemente/kippelemente#:~:text=Ostantarktis%3A%20Subglaziale%20Einzugsgebiete&text=Einige%20Einzugsgebiete%20der%20gro%C3%9Fen%20Gletscher,%2D%2C%20Aurora%2D%20und%20Recoverybasins

https://www.br.de/nachrichten/wissen/was-ist-mit-der-atlantischen-umwaelzstroemung-los,SfJfJeC

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